Johannes

Johannes.

Echter Jünger oder doch nur Erfindung?

Es wird gesagt, dass der Jünger, den Jesus liebte, in das Evangelium hineinerfunden wurde, um einen Bezug zum Gemeindegründer in Ephesus zu haben. Andere Leute sehen in diesem Jünger ein Spiegelbild / ein Vorbild für uns selbst.

Ich aber denke, dass beide Theorien nicht stimmen können, und zwar aus den folgenden Gründen:
Wäre der Jünger erfunden, würden wahrscheinlich viel mehr Referenzen auf ihn im Evangelium zu finden sein. Er erscheint aber nur im Kapitel 13, 19, 20 und 21. Was er tut, ist nicht unbedingt sehr hervorragend: Er lehnt an der Brust von Jesus und fragt nach dem Verräter, aber nur nach Aufforderung des Petrus. Er läuft mit diesem zum Grab des Herrn, traut sich aber nicht als erster hinein und glaubt erst nach Petrus. Die einzige Aufgabe, die er erhält, ist, sich um die Mutter Jesu zu kümmern, während Petrus dessen Schafe weiden soll (natürlich metaphorisch!).

Als Gegenargument könnte man bringen, dass ja auch in Kapitel 1 und 18 ein namenloser Jünger erwähnt wird. Doch ich denke, dass das nicht unser Johannes sein kann, denn es wird in allen anderen Stellen das „den Jesus liebte“ hinzugefügt, was auf jeden Fall auch beim ersten Auftreten notwendig gewesen wäre, um ihn zu identifizieren. Der Evangelist tut das ja zum Beispiel in Kapitel 11 im Vers 2, um Maria als die zu identifizieren, die den Herrn mit Öl gesalbt hat (noch bevor das passiert), anscheinend eine Eigenschaft, die die Leser aus den anderen Evangelien kannten.

Ein Zirkelschluss wäre es zu sagen: Die Erwähnungen in Kapitel 1 und 18 können ja nur den Jünger, den Jesus liebte, meinen, da er der einzig wichtige Namenlose ist. Und er ist deswegen wichtig, weil er so oft erwähnt wird (unter anderem sein erstes Treffen mit Jesus).

Aus diesem entsteht dann der größere Zirkelschluss: Er wurde deshalb erfunden, weil er im Evangelium einfach zu wichtig ist (viel wichtiger als Petrus).

Um einige der Argumente zu entkräften, z.B. das, das Petrus wichtiger als der namenlose Jünger ist, weil er als Auftrag bekommt, die Schafe des Herrn zu weiden, wird gesagt, dass das 21. Kapitel ein viel späterer Zusatz ist, um den restlichen christlichen Gemeinden zu beweisen, dass man auch „dazugehört“.

Der Jünger, der all das bezeugt, kann gar nichts bezeugen, da er nur eine Erfindung ist. Doch ich denke, dass in diesem Fall die Verse 21 bis 23 sehr seltsam anmuten. Was sollte die Aussage dieser Verse sein, wenn nicht ein Versuch der Erklärung, warum dieser Jünger immer noch, nach so vielen Jahren, am Leben ist?
Und passen diese Verse nicht sehr gut in die Tradition des alten Gemeindeältesten Johannes?

Und noch etwas zu den beiden eingangs erwähnten Theorien und den Versen aus dem 19. Kapitel: Welchen Sinn hätte es – theologisch – diese Verse niederzuschreiben, wenn es nicht tatsächlich so passiert ist? Was wollte uns der Evangelist hier vermitteln? Das wir die Mutter Jesu auf- und annehmen sollen? Eine Frau, von der der Evangeliumsschreiber theologisch nicht viel hält – ihr letzter Ausspruch ist in Kapitel 2, nachdem Jesus sie angefahren hat: „Was willst du von mir, Frau?“ (2:4)
Das ist nicht einmal katholische Theologie, denn dort nimmt Maria uns auf, nicht wir sie.

Zum Schluss noch die provokativste von allen Fragen:
Warum soll ich irgendjemanden in Bezug auf mein Heil glauben, der einen erfundenen Zeugen als Bürgen für die Wahrheit nimmt?
Und das gerade von einer Gruppe, unter deren Lieblingsbegriffen die „Wahrheit“ ganz vorne (noch vor der Liebe) steht?

Ich möchte hier wieder einmal für die wörtliche Auslegung eintreten. Denn welchen Sinn macht es, von allen Christen Wahrheitsliebe zu verlangen und im selben Text selbst zu lügen?
Wäre das nicht ein riesiger Beweis der Falschheit des gesamten Christentums? Wäre das nicht der Grund, sofort alle Kirchen zuzusperren und zu Greenpeace zu wechseln (damit wenigstens irgendetwas von diesem Planeten gerettet wird, wenn es schon nicht die Menschen sind), denn der Gott, an den wir glauben, kann nicht einmal sein eigenes Wort bewachen und sein heiliger Geist bewirkt selbst in den treuesten Nachfolgern nichts.
Was würde der geneigte Leser von mir halten, wenn ich eine erfundene Bekehrungsgeschichte von mir erzählen würde? Oder von Wundern berichten würde, die ich erlebt haben wollte und nachgeprüft werden könnten, die aber nicht wahr sind? Wäre ich dann nicht in allem unglaubwürdig, aber besonders in dem, was ich von meinem Glauben erzähle?
Und – wenn das für mich gilt, warum nicht für die Evangelisten und Paulus?

1:35-39
Am Tag darauf stand Johannes wieder dort, und zwei seiner Jünger standen bei ihm. Als Jesus vorüberging, richtete Johannes seinen Blick auf ihn und sagte: Seht, das Lamm Gottes!
Die beiden Jünger hörten, was er sagte, und folgten Jesus.
Jesus aber wandte sich um, und als er sah, dass sie ihm folgten, fragte er sie: Was wollt ihr? Sie sagten zu ihm: Rabbi – das heißt übersetzt: Meister -, wo wohnst du?
Er antwortete: Kommt und seht! Da gingen sie mit und sahen, wo er wohnte, und blieben jenen Tag bei ihm; es war um die zehnte Stunde.

13:23-25
Einer von den Jüngern lag an der Seite Jesu; es war der, den Jesus liebte. Simon Petrus nickte ihm zu, er solle fragen, von wem Jesus spreche. Da lehnte sich dieser zurück an die Brust Jesu und fragte ihn: Herr, wer ist es?

18:15f
Simon Petrus und ein anderer Jünger folgten Jesus. Dieser Jünger war mit dem Hohenpriester bekannt und ging mit Jesus in den Hof des hohepriesterlichen Palastes. Petrus aber blieb draußen am Tor stehen. Da kam der andere Jünger, der Bekannte des Hohenpriesters, heraus; er sprach mit der Pförtnerin und führte Petrus hinein.

19:26f
Als Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er liebte, sagte er zu seiner Mutter: Frau, siehe, dein Sohn!
Dann sagte er zu dem Jünger: Siehe, deine Mutter! Und von jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sich.

20:2-8
Da lief sie schnell zu Simon Petrus und dem Jünger, den Jesus liebte, und sagte zu ihnen: Man hat den Herrn aus dem Grab weggenommen, und wir wissen nicht, wohin man ihn gelegt hat. Da gingen Petrus und der andere Jünger hinaus und kamen zum Grab; sie liefen beide zusammen dorthin, aber weil der andere Jünger schneller war als Petrus, kam er als erster ans Grab.
Er beugte sich vor und sah die Leinenbinden liegen, ging aber nicht hinein. Da kam auch Simon Petrus, der ihm gefolgt war, und ging in das Grab hinein. Er sah die Leinenbinden liegen und das Schweißtuch, das auf dem Kopf Jesu gelegen hatte; es lag aber nicht bei den Leinenbinden, sondern zusammengebunden daneben an einer besonderen Stelle. Da ging auch der andere Jünger, der zuerst an das Grab gekommen war, hinein; er sah und glaubte.

21:7
Da sagte der Jünger, den Jesus liebte, zu Petrus: Es ist der Herr! Als Simon Petrus hörte, dass es der Herr sei, gürtete er sich das Obergewand um, weil er nackt war, und sprang in den See.

21:20-24
Petrus wandte sich um und sah, wie der Jünger, den Jesus liebte, (diesem) folgte. Es war der Jünger, der sich bei jenem Mahl an die Brust Jesu gelehnt und ihn gefragt hatte: Herr, wer ist es, der dich verraten wird?
Als Petrus diesen Jünger sah, fragte er Jesus: Herr, was wird denn mit ihm?
Jesus antwortete ihm: Wenn ich will, dass er bis zu meinem Kommen bleibt, was geht das dich an? Du aber folge mir nach!
Da verbreitete sich unter den Brüdern die Meinung: Jener Jünger stirbt nicht. Doch Jesus hatte zu Petrus nicht gesagt: Er stirbt nicht, sondern: Wenn ich will, dass er bis zu meinem Kommen bleibt, was geht das dich an?
Dieser Jünger ist es, der all das bezeugt und der es aufgeschrieben hat; und wir wissen, dass sein Zeugnis wahr ist.



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