Rettungstagebücher von Thomas L.

Die unveröffentlichten, gefälschten, nie geschriebenen

Rettungs-Tagebücher des Thomas L.


Letzten Sommer in einer unbekannten Dienststelle …

Rescue me – oh take me in your arms!
   – Chor der weiblichen Patienten über 70.

Tag 23

Ja, ich habe ihn gesehen! Majestätisch hat er seine Flügel ausgebreitet, einem gelben Engel gleich, und hat sich aus luftigen Höhen zu uns einfachen, sterblichen Rettungssanis verirrt.
Ich musste natürlich sofort mit dem Diensthandy ein Foto machen, als er uns mit dem Patienten im Bauch verließ.
Interessanterweise war ich nicht der einzige, der den Rettungshubschrauber auf Bits und Bytes festhalten wollte.
Es ist ja doch immer wieder ein Ereignis, wenn der Held der Lüfte auf unserem Sportplatz landet.

Tag 9

Wenn ich noch einmal um 4:50 aufstehen müsste, würde ich liegen bleiben.
Ich halte es einfach nicht aus. Ich schaffe es nicht, ich will es nicht, ich kann es nicht!
Ich bin doch ein armer Informatiker, einer von jener Spezies, die erst um 9:00 aufsteht, nachdem sie 10 Stunden geschlafen hat und Morgendämmerung nur vom Hörensagen kennt – oder höchstens als letzten Aufruf zum Schlafengehen.

Tag 52

Die ganze Dienststelle lacht über uns. Nun, wenn’s nur über mich alleine wäre, dann würde es mich ja nicht wundern. So aber …
Haben wir doch eine – ausnahmsweise gänzlich unschuldige – Patientin in das hundert Kilometer entfernte Krankenhaus Bad Grimegg gebracht und sie dort mit unserem Tragstuhl ausgeladen.
Weil uns die Kurort-Luft so gut tat, mussten der Alex und ich für kleine Sanis, während unser neuer Azubi eben diese Luft mit seinem Glimmstängel verpesten musste.
Wir machten uns auf den Heimweg, erleichtert.
Zurück im Bezirk und ein paar Transporte später wollen wir wieder einen Patienten auf unseren Tragstuhl setzen – doch leider fiel selbiger Stuhl durch seine Abwesenheit auf.
Der geneigte Leser wird sich das Gefühl der aufsteigenden Panik wohl gut vorstellen können, das diesen Moment die Mannschaft überwältigte.
Der vorherrschenden kosmischen Ungerechtigkeit folgend MUSSTEN wir den Stuhl im am weitesten entfernten Krankenhaus vergessen haben, eine Vermutung, die nach einem Kontrollanruf zur traurigen Gewissheit wurde.
Die Leitstelle nahm’s mit Humor – wie alle anderen, die davon hörten, auch – und schickte uns zurück zum Tragstuhlholen.
Natürlich über unsere normale Dienstzeit hinaus.
Fast wäre es nebensächlich zu erwähnen, dass wir unser hinteres Blaulicht auf der Autobahnauffahrt verloren haben.

Tag 14

Das Allheilmittel im Rettungsdienst heißt Leukoplast.
Ein Klebeband in typisch rosa Farbe, eigentlich zur Anbringung an verwundeten Hilfesuchenden gedacht, doch vor allem verwendet, um noch nicht ganz in die Brüche gegangenes davor zu bewahren, eben dann doch diesen Weg allen Irdischen in die Nutzlosigkeit zu gehen.
Nicht nur die Dienstmappe wird auf diese Art und Weise verschlimmbessert, sondern auch:
Pläne, Fensterbeschläge, Schaltknüppel, Rucksäcke, Plastikverpackungen, Kaffeemaschinen, Computer, Leukoplast-Rollen, …

Tag 83

Seit einiger Zeit spiele ich mit mir selbst das Spiel: Gleiche deinen Puls deiner Sauerstoffsättigung an.
In jedem Rettungsauto befindet sich ein Wunderwerk der Technik, das Pulsoxymeter. Dieses Gerät hat die Fähigkeit, über einen am Finger des Patienten aufgeklemmten Sensor den O2-Gehalt und den Puls der Testperson zu ermitteln.
Ein Gerät, das ich liebe: Deppensicher zu bedienen und liefert oft beruhigende Ergebnisse, so dass man weiß: Eigentlich ist eh alles in Ordnung und die Lightshow am Dach nicht notwendig.
Leider jedoch haben die Patienten oft bessere Werte als ich, was mich dann doch etwas befremdet.
Vielleicht liegt das an meiner Churchillschen „No Sports“ – Einstellung, dass mein Puls zum Technobeat wurde.
Vielleicht ist es auch was Gröberes und das mein letzter Eintrag, geliebtes Tagebuch.

Tag 68

Liebes Bravo-Team!
Ich leiste gerade meinen Zivildienst bei einem Rettungsdienst.
Die Leute dort sind alle sehr nett und lieb, vor allem zueinander.
Da wird aufeinander herumgehüpft, da werden Zweier-Teams gebildet, da gibt es mehr als freundschaftliche Bemerkungen, da wird von Schweins-Gliedern gesprochen und von “Voulez-vous coucher avec moi?”, aber alle Zivildiener sind Männer!
Und daher meine Frage:
Sind die alle schwul?
Und wie soll ich mich mit meiner Homophobie verhalten?
Euer Thomas Brätsina (Name v. d. Redaktion geändert)

Lieber Thomas!
Zuerst einmal wollen wir Dich darauf hinweisen, dass Bravo eine Zeitschrift für Teenager ist, Du also mit Deinen 30 Jahren definitiv nicht in unserer Zielgruppe zu finden bist.
Aber, um Dich zu beruhigen, hier unsere Antwort:
Nein, sie sind nicht homosexuell orientiert, zumindest wohl die meisten.
Es handelt sich hier um ein vorpupertäres Geplänkel, um Aufmerksamkeit auf die eigenen, (vermeintlich) größeren Geschlechtsorgane zu lenken.
Mach Dir also keine Sorgen, dass Du einmal im Nachtdienst vernascht wirst.
In Liebe, Dein Doktor Rosa-Winter.
PS: Schick uns doch ein Foto von Dir!

Tag 103

Ich stehe vor einem gelben Weizenfeld, die Ären wiegen sich langsam im Wind. Die Sonne brennt herab, zwei Vögel scheinen Fangen zu spielen, sie bewegen ihre Flügel in der sanften Briese. Ein Bauer blickt verträumt über seine Felder. Ein Liebespaar sitzt auf einer kleinen hölzernen Bank.
Ich bin zufrieden, oder besser gesagt, ich wäre zufrieden, wenn es sich hierbei nicht um ein Bild handeln würde, das bei einem Arzt im Wartezimmer hängt und ich darauf warten muss, einen 100-Kilo-Patienten von der Trage auf ein Untersuchungsbett zu heben.

Tag 29

Heute habe ich im allgemeinen Krankenhaus meine Traumfrau gesehen.
Gekleidet war sie in diesem typischen Krankenschwester-Mantel, der ihre Haare noch besser zur Geltung brachte.
Ich lächelte sie an, sie lächelte mich an.
Ich weiß nicht, ob ich rot geworden bin – ziemlich wahrscheinlich – auf jeden Fall wollte ich irgendetwas Belangloses sagen, Smalltalk führen, den Mund aufmachen.
Krampfhaft suchte ich nach Worten. Sollte ich etwas über das Wetter sagen? Nein, das war unmöglich, denn die Menschen im AKH bekommen das Tageslicht nie zu sehen.
Sollte ich über den Aufzug reden, der schon wieder über 10 Minuten brauchte, um in diesem Stockwerk stehen zu bleiben?
Ich hatte mir gerade einen harmlosen Text zusammengelegt, als der Lift dann doch kam und uns beide einließ.
Die Türen schlossen sich hinter uns. Meine Blicke glitten ihrem Körper hinab, die ihren waren fest auf meine Augen gerichtet.
Plötzlich drückte sie auf Stopp, der Lift hielt an, sie drängte den Tragstuhl, den ich bis hier her, einem Schutzschild gleich, geschoben hatte, von mir weg.
Sie gab mir einen schüchternen Kuss auf den Mund, dann noch einen und noch einen, schon weniger schüchtern.
Sie fragte mich nach meinem Namen – nachher -, gab mir ihre Karte und meinte: „Ruf mich aus!“
Darauf setzte sie den Lift wieder in Bewegung und verließ mich.
Das hätte der Anfang einer ganz besonderen Freundschaft werden können – wenn es denn wahr gewesen wäre.
Leider habe ich zu ihr kein Wort gesagt (ich überlege heute noch, welchen belanglosen Satz ich zu ihr hätte sagen sollen) und sie verließ den Aufzug, ohne mich eines Blickes zu würdigen.
Schade.


Every breath you take…
   – The Police-Reanimators

Tag 73

Diebstahl! Mundraub! Polizei!
Zwischen 16:00 und 18:00 Ortszeit hat eine unbekannte Anzahl von unbekannten Dieben die in der Ortsstelle Pedasdorf zwischengelagerte Topfengolatsche des Rettungssanitäters Thomas L. (30) spurlos verschwinden lassen. Nur noch das umhüllende Plastik konnte von den eintreffenden Sicherheitsbeamten sichergestellt werden, die Täter hatten es anscheinend nicht der Mühe wert gefunden, dieses fachgerecht zu entsorgen.
Darum eine Warnung an all unsere Leser:
“Es kann gefährlich sein, mitgebrachte Speisen unbeaufsichtigt liegen zu lassen!”
Thomas L., Zivildiener beim Rotblaugrünen Arbeiter-Kreuzbund: “Es ist einfach schrecklich. So sehr hatte ich mich auf diese Topfengolatsche gefreut! Und jetzt ist sie weg! Und ich bin wieder allein, allein.”
Dem Hinterbliebenen unser Beileid!

Tag 141

Heute haben wir einen Patienten vom Bezirkskrankenhaus in das Krankenhaus der Hauptstadt geführt. Um dort aufgenommen zu werden, ist eine aufwendige und hochnotpeinliche Befragung zu durchlaufen:
“Wie heißen Sie?”
“Ihr Familienstand?”
“Wo wohnen Sie?”
“Was ist Ihr Religionsbekenntnis?”
“Wie war der Familienname Ihrer Mutter vor ihrer Heirat?”
“Wieviele Kinder haben Sie?”
“Wieviele hätten Sie noch gerne? Wir fragen nur, um sicher zu gehen…”
“Was ist Ihre Lieblingsspeise? – Nicht, dass Sie die hier bekommen könnten…”
“Welche Tageszeitung lesen Sie?”

Zwölf Minuten später:

“Die Herren von der Rettung haben doch eh noch Zeit, oder?”
“Welche Farbe soll die Bettdecke haben?”
“Wie hat Ihnen die heutige Folge von Gute Zeiten – Schlechte Zeiten gefallen?”

Zwanzig Minuten später:

“Warum sind Sie überhaupt hier?”
“Also dafür sind wir nicht zuständig!”

Tag 76

Wo ist eigentlich der Schokoriegel, den ich – mit meinem Namen beschriftet – vorgestern in den Kühlschrank legte?

Tag 19

Als junger (und auch nicht mehr ganz so junger) Österreicher hat man die Möglichkeit, sich zwischen dem Dienst an der Waffe und dem Dienst am Menschen zu entscheiden.
Allerdings auch zwischen 6 Monaten und 9 Monaten (Nein, die zweite Option ist nicht, schwanger zu werden!).
Ich habe mich für den Zivildienst entschieden, weil ich keine körperlich anstrengende Arbeit tun wollte, keine Uniform und keinen Helm tragen wollte, nicht allzu früh aufstehen wollte, immer zu Hause schlafen wollte und nicht stramm stehen wollte.
Jetzt bin ich bei der Rettung, muss Patienten mit 80, 100, und mehr Kilo Körpermasse in den 4. Stock (natürlich ohne Lift) tragen.
Während ich die Patienten trage, trage ich natürlich eine Uniform (aber keinen Helm). Ich muss oft um fünf Uhr aufstehen oder ich habe überhaupt Nachtdienst und schlafe auf der Dienststelle (falls möglich).
All is going according to plan.
Jetzt fehlt nur noch, dass ich stramm stehen muss!

Tag 20

Heute war das Begräbnis eines Förderers unserer Organisation und um eben diese zu repräsentieren, wurde ein Auto – das, worauf wir gerade Dienst hatten – zu den traurigen Feierlichkeiten entsendet.
Ich bekam weiße Handschuhe (bzw. fast weiße Handschuhe), eine graue Uniform und einen – euphemistisch gesagt – seltsamen Helm zu tragen.
Dann musste ich neben dem Auto stramm stehen, während der Sarg vorbeigetragen wurde.
6 von 6. Nicht schlecht.

Tag 89

Unser Chef hat doch tatsächlich beobachtet, dass ich ein Tagebuch über meine Erfahrungen bei der Rettung schreibe.
Er fand das gut, meinte dann aber: „Jetzt ist ja noch alles nett und höflich. Und wenn er fertig mit dem Zivildienst ist, dann schreibt er ‚das präpotente Oaschloch’ über mich.“

Ich fühle mich missverstanden und verkannt.
So etwas würde ich doch nie tun!


I hear di klopfen!
   – Dr. Kurt Blutbahn

Tag 54

Ein Blaulicht ist etwas Schönes – jeder sollte eines haben!
Zu einem Einsatz mit Sondersignal und Folgetonhorn zu fahren, ist doch immer wieder ein Ereignis. Besonders, weil man sich immer wieder über die Autofahrer ärgern muss, die anscheinend meinen, dass diese großen Autos nur deswegen blaue blinkende Lichter auf ihrem Dach haben, damit sie cooler aussehen. Ein bisschen Disco-Feeling für die Straße eben.
Auf jeden Fall erachten viele Lenker es nicht der Mühe wert, ihr Vehikel wegzulenken oder anzuhalten, wenn ein Rettungsauto ihren Weg kreuzt.
Da wird beinhart auf Vorfahrtrechte bestanden, da gibt es sogar Leute, die die Rettung überholen wollen. Aber sicher nicht, um am Einsatzort mitzuhelfen!
„Hast Du mal ein paar Antiidiotika für mich?“

Übrigens möchte ich hier mit einem weit verbreiteten Irrtum aufräumen: Wir fahren nicht mit dem Blaulicht zur Mittagspause!
(Damit will ich sagen, dass das Blaulicht auf dem Dach abgeschaltet ist, wenn kein Ernst- und Notfall vorliegt. Ich will damit nicht sagen, dass wir das Ding abmontieren, wenn wir dem Herrn Billa einen Besuch abstatten.)

Wenn wir schon beim Aufräumen sind – mein Zimmer sollte auch einmal aufgeräumt werden … Nein, ein weiterer Irrtum soll beseitigt werden: Es kann sein, dass man vor sich ein Rettungsauto sieht, mit Blaulicht, das sehr langsam fährt.
Hierbei handelt es sich nicht um die Rettungs-Fahrschule auf Blau-Schulungsfahrt, sondern um den Transport eines verletzten Menschen, dem jede Erschütterung zur Qual wird. Wer das nicht glaubt, kann sich gerne einmal den Oberschenkel brechen und dann mit 120 km/h über unsere Fleckerlteppiche, genannt “Straßen”, fahren.

Tag 130

“Treten Sie ein, gnädige Damen! Moment, wir tragen Sie auf Händen hier in unser wunderschönes Rettungsauto. Sitzen Sie bequem? Lassen Sie mich Ihnen den Gurt anlegen, wir wollen ja nicht, dass Sie uns davonlaufen. Hahaha.
So, jetzt, wo wir fahren, wollen wir über ein ganz bestimmtes Thema sprechen. Die kalte Jahreszeit beginnt, und es ist ziemlich kühl. Ja, die Dame in der ersten Reihe kennt das auch, nicht wahr?
Und was tut man dagegen? Man wickelt sich in eine warme Decke. Und justament habe ich eine solche Decke hier dabei, die Sie, werte Damen, um nur 129 Euronen billigst erstehen können.
Höre ich da ein leises Seufzen? Lassen Sie sich gesagt sein, gute Frau, unsere Fahrt dauert noch dreißig Minuten, weil wir den beschaulicheren Weg über unsere Landeshauptstadt dem kurzen Weg über das Industriegebiet vorgezogen haben.
Unser bezaubernder Fahrer wird jetzt leise Fahrstuhlmusik in den CD-Spieler legen, während ich Ihnen Ihre Kreditkarten aus den Taschen hole.
Und falls Sie jetzt um Hilfe rufen wollen – da hätte ich auch noch ein Angebot für Sie …”

Gut, dass es bei uns so nicht abläuft …

Tag 161

Die Nächte werden länger, die Tage werden kälter. Viel kälter.
Da ich nur mit einem einspurigen KFZ unterwegs war, konnte ich den rauen Morgenlüften nicht durch Sitzheizung, Standheizung oder Fußbodenheizung entgehen und wurde von einer Grippe eingeholt – bin wohl zu langsam gefahren.
Vor Kälte zitternd saß ich im Rettungsauto, hier war der Sitz gewärmt (und das nicht, weil ich wieder einmal vergessen hatte, auf’s Klo zu gehen), ich hatte beide Jacken an, die Kollegen wollten fast schon die Polo-Shirts ausziehen (wäre wohl wieder ein Beitrag für Bravo geworden). Mein Chef, den ich telefonisch um Krankenstand bitten wollte, meinte nur etwas lapidar: “Mir ist auch kalt, es ist ja Winter …”, hatte aber dann doch Mitleid mit dem armen Thomas L. und ich konnte nach dem nächsten Einsatz den Heimweg in mein Bett antreten.

Wenn ich Fieber habe, dann habe ich regelmäßig einen ganz seltsamen Fiebertraum, der Dinge einfließen lässt, mit denen ich mich tags zuvor beschäftigt habe. Als ich einmal viel Tetris gespielt hatte, träumte ich, ich wäre ein Tetris-Stein, der sich in das Spielfeld einfügen musste – und es ging nicht.
Heute habe ich geträumt, ich wäre Rettungsautos (ja, Mehrzahl!), die von der Leitstelle dirigiert wurden, aber irgendwie dann doch das machten, was sie wollten. Es war schrecklich, wenn auch nicht so unrealistisch. (Hier ein ganz lieber Gruß an alle mitlesenden Disponenten: Ich verstehe Euch jetzt besser!)

Tag 174

Irgendwie kann ich mir die Namen der neuen Zivildiener nicht merken. Ich weiß nicht, mein Gedächtnis ist so schlecht. Deswegen habe ich unseren Chef, den großen Mann in der roten Uniform, gebeten, Bilder von den neuen Leuten ins Internet zu stellen. Der andere Mann in der roten Uniform, der daneben stand, fand die Idee auch gut. Dann werde ich endlich den Zivildiener mit den Haaren und der roten Uniform nicht mehr mit dem Zivildiener mit den zwei Augen und der roten Uniform verwechseln.

Tag 169

Ich kratz ab!

Tag 170

Ich kratz ab!

Tag 171

Heute habe ich das Auto nicht abkratzen müssen, es war wieder etwas wärmer draußen …


I’ve got you under my skin!
   – Sanitäter nach Infektionstransport

Tag 129

Merke: Wenn Sie ein Mann, den Sie noch nie gesehen haben, plötzlich bei Ihrem Namen nennt, dann sind Sie entweder berühmt oder Sie haben ein Namensschild auf der Uniformjacke.

Ich habe ja schon einmal erwähnt, dass ich niemals eine Uniform tragen wollte, was nicht so ganz richtig ist. Abgesehen davon, dass ich mich schon daran gewöhnt habe, und dass gesagt wird, dass Frauen auf Männer in Uniform stehen – nach meinen Beobachtungen aber nur Frauen über 75! – wollte ich immer schon eine Starfleet-Uniform tragen.
Starfleet ist die Einsatzorganisation im Weltraum, oder besser gesagt im fiktionalen Weltraum der Zukunft aus der Serie Raumschiff Enterprise.
Ich wollte das nicht nur, weil es bei Captain Kirk auch mit den Frauen unter 75 funktioniert hat, sondern auch, weil mich das Erforschen des Weltraums mit futuristischen Raumschiffen mehr anspricht, als der Kampf in Schützengräben mit vorsintflutlichem Gerät. Jedoch vielleicht war die Uniform des lieben Captains mehr Pyjama als die unsrige, wobei auch unsere nicht sehr militärisch aussieht (Allerdings hat mein Pyjama keine Sicherheitsreflektoren).
Aber tatsächlich gibt es bei uns auch ein paar Sanitäter, denen es lieber wäre, wenn die Uniform nicht primär rot, sondern camouflage wäre …

Tag 63

Mir ist es heute nicht gelungen, bei einer Patientin den Blutdruck zu messen. Vielleicht hatte sie keinen – aber dann hätte sie wahrscheinlich auch nicht mit mir sprechen können, nehme ich einmal an … (Die Sanitäterausbildung hat also doch etwas gebracht!)

Der Hauptamtliche Zimmermann hingegen konnte den Wert problemlos ermitteln, worauf er mich einen „Warmduscher“ nannte.
Oder nennen wollte, denn er hat es nicht getan, vielleicht wegen meines Blickes, der einem Dackel zur Ehre gereicht hätte, der gerade die Hochzeitstorte verwüstet hat.
Vielleicht war es aber auch nur deswegen, weil die freundlichen Helfer der Polizei neben uns standen und zuhörten. Möglicherweise lag es aber auch nur an seiner guten Kinderstube.

Was jetzt ein besser ausgestattetes Jugendzimmer mit seiner Ausdrucksweise zu tun hat, weiß ich allerdings nicht.

Tag 12

Im Rettungsdienst grüßt man natürlich auch die Kollegen anderer Dienststellen und Organisationen.
Teils mit dem Victory-Sign, teils mit einem gemeinschaftlichen Kopfnicken, abhängig davon, wie sehr man sich mag.
Dabei muss man nur aufpassen, dass man nicht das schwarze Kreuz grüßt, das ist nämlich die Tierrettung, die kommt, wenn eine Katze vom Baum fällt.
Und auch nicht das Grüne Kreuz, denn das ist die Baumrettung, die kommt, wenn ein Baum fällt.
Ok, der Witz war alt, nicht von mir und kollegenfeindlich. Aber er war gut.

Tag 182

Heute hat doch einer von den neuen Zivildienern, einer von denen, deren Namen ich mir nicht merken kann, also heute hat doch einer von denen gemeint, er könnte vorne sitzen und mich auf die billigen Plätze im Patientenraum verdrängen. Also, was soll das? Hat die Jugend keinen Respekt mehr vor dem Alter? Ich finde das definitiv nicht in Ordnung. Da muss definitiv etwas geändert werden! Wenn das noch einmal passiert, dann werde ich definitiv böse.

Tag 179

Ich habe ein neues Lieblingswort: Definitiv.

Tag 91

„Sie präpotentes Oaschloch!“
Manchmal erwarten Patienten von uns Leistungen, die wir einfach nicht erbringen können. Medikamente und andere Drogen können wir natürlich nicht verabreichen, und wenn der Patient in ein weit entferntes Krankenhaus gebracht werden will, dann geht das meist auch nicht so ohne weiters.
Und da hat uns doch tatsächlich heute ein angeblich Hilfesuchender aus seinem Haus geworfen, nachdem er unserem Chef diese freundlichen Worte an den Kopf geschmissen hat und dem zweiten Sanitäter und mich angefahren ist: “Was glotzen die so blöd, wenn sie mir nicht helfen wollen!”

Nun. Jedem kann dann doch nicht geholfen werden. Zumindest nicht von der Rettung.

Tag 118

Ich kann das keinem erklären, wie man sich fühlt, wenn man in das Krankenhaus Maria Kuckuck kommt, den Patienten, mit dem man gerade eine halbe Stunde geplaudert hat, dort abliefern will und sich plötzlich alle Ärzte und Schwestern einen Mundschutz aufsetzen, Handschuhe und Schutzkleidung anziehen.
Ah? Der Patient hat etwas Ansteckendes? Gut, dass wir das auch erfahren!

“Vielleicht hat die Dame Meningitis, lassen Sie Ihre Telefonnummer da. Rufen Sie uns nicht an, wir rufen Sie an! In der Zwischenzeit sollten Sie keinen Kontakt mit anderen Menschen haben.”

Deswegen, liebes Tagebuch, erfolgt der heutige Eintrag mit angelegtem Mundschutz!


Endstation, bitte alles aussteigen!
   – Rettungsfahrer nach Dienstschluss

Tag 194

Der Fahrer des Rettungswagens trinkt aus der Whiskey-Flasche und auch der daneben sitzende Sanitäter nimmt einen tiefen Schluck.
Betrunken fährt der Fahrer durch die nächtliche Stadt, mit Sondersignal. Immer schneller fährt er, immer rücksichtsloser.
Ich kann nur fassungslos zusehen, als sich der Wagen aufgrund eines Fahrfehlers überschlägt.
Beide steigen unverletzt und lachend aus – ist ja nur ein Film, und zwar „Bringing out the Dead“ mit Nicolas Cage.
Allerdings finde ich es interessant, nach dem Sehen einer solchen Filmszene dann in einen Rettungswagen zu steigen.
Gott sei Dank hatte der Hauptamtliche, der neben mir am Steuer saß, keine Whiskeyflasche dabei.

Tag 186

Ich habe Urlaub und ich halte es nicht aus! Dieses still Herumsitzen und Ausspannen! Ausspannen! Wer will das schon, wenn man da draußen in der Welt Menschenleben retten kann!
Ok, das ist vielleicht übertrieben, also noch einmal:
Ausspannen! Wer will das schon, wenn man da draußen im Land Menschen heilen kann!
Moment! Das geht irgendwie an der Wahrheit vorbei. Also noch einmal:
Ausspannen! Wer will das schon, wenn man da draußen im Bezirk hundertfünfzig-Kilo-Frauen fünf Stockwerke rauf und runter tragen kann!
Also? Wer will das schon?

Tag 2412

Im weihnachtlichen Schneegestöber wurden wir zu einem Einsatz gerufen. Eine alte Dame hatte sich ein Bein gebrochen, wurde uns mitgeteilt. Wir fuhren zum Berufungsort, als wir vor uns einen umgestürzten Rentierschlitten sahen, die Tiere noch davor gespannt. Der Lenker desselben, ein dicker, beleibter Mann, winkte uns, stehen zu bleiben. Sein weißer, voller Bart verriet, dass er schon im fortgeschrittenen Alter war.
Während sich mein Kollege um ein Rentier kümmerte, das eine rote Nase hatte (wahrscheinlich vom Unfall) wollte ich dem gutmütig dreinblickenden Alten fragen, welche Hilfe er denn benötigen würde. Er zeigte stumm auf seinen Schlitten, und als ich mich umdrehte —
Ja, weiter weiß ich nicht. Ich muss wohl einen Schlag auf dem Hinterkopf bekommen haben, der eine commotio cerebri bewirkt haben muss. Ich kann mich auf jeden Fall nicht mehr erinnern.
Als ich aufwachte, lag ich auf der Trage unseres Rettungswagens und zitterte am ganzen Körper, weil ich keine Uniform mehr anhatte. Außerdem war mir schlecht, was aber auch am Eau de Toilette des Kollegen gelegen haben könnte.
Nachdem ich ein paar Stunden später aus dem Krankenhaus entlassen wurde, hörte ich im Radio, dass in unserer Stadt ein seltsamer alter Mann in roter Hose und roter Jacke Geschenke an Kinder verteilte. Die Polizei konnte ihn bis jetzt noch nicht ausfindig machen, sie hatten aber große Hoffnung, den Verdächtigen zu fassen, da er leicht an den reflektierenden Sicherheitsstreifen auf seiner Hose erkennbar sein müsste.

Übrigens: Wie ich später erfuhr, stellte sich der Einsatz bei der alten Dame als Fehleinsatz heraus. Sie hatte nur versehentlich das Bein eines Lebkuchenmännchens abgebrochen.


Woran erkennt man, dass diese Geschichte nicht wahr ist? Dieses Jahr zu Weihnachten hat es nicht geschneit!

Tag 87

Natürlich kommt ein Einsatz oft genug genau dann, wenn man ihn nicht brauchten kann. Zum Beispiel genau zu der Zeit, wenn die Kollegen sich gerade Pizza geholt haben und diese daraufhin während des Einsatzes unter dem Beifahrersitz liegen muss.
Das ist auch problematisch, wenn dann der mitgenommene Patient zum dritten Mal fragt: “Da riecht es doch nach Essen?”.
Noch problematischer ist es, wenn es sich bei einer der Pizzen um eine mit Meeresfrüchte-Belag handelt – abgesehen davon, dass ich die nicht mag, ist die Geruchsentwicklung doch ziemlich stark.
Wenn dann der Einsatz plus Rücktransport über eine Stunde dauert, dann kann man sich die allgemeine Begeisterung vorstellen.
Aber alles Essen geht seinen Weg – und wenn es am Ende dieses Weges angelangt ist – oder angelangt sein will! – dann kann es auch unangenehm sein, wenn man justament in diesem Moment dringend vom Örtchen an einen anderen (möglicherweise nicht so stillen) Ort muss, weil jemand erste (oder andere) Hilfe benötigt.
Das sind Situationen, bei denen der Sanitäter seine Einteilungsfähigkeiten unter Beweis stellen kann.

Tag 199

“Sehr geehrte Damen und Herren! Sie sehen vor sich sieben Sanitäter, die Sie die letzten neun Monate durch Freud und Leid begleitet haben.
Wir haben mit ihnen gezittert bei der Prüfung – und bei den Transporten nach Maria Kuckuck. Wir haben mit ihnen gelacht und geweint, wenn es wieder einmal kein Trinkgeld gegeben hat. Wir haben mit ihnen mit Spannung auf den Dienstplan gewartet. Wir haben mit ihnen gesungen und wir sind gemeinsam zum Heurigen blau gefahren.
Jetzt ist es an der Zeit, sich zu entscheiden:
Wer muss die Dienststelle verlassen, und wer darf bleiben? Schicken Sie jetzt ein SMS mit dem Inhalt „WE WANT YOU!“ an die angegebene Nummer, wenn Sie wollen, dass der Sanitäter Thomas L. weiterhin das rotblaugetupfte Arbeiterbundkreuz unterstützt …
Die Ergebnisse des Votings erfahren Sie in der nächsten Sendung!”